Die zweite „Stimmen“-Interviewpartnerin ist Gabrielle Bates, die ich über das Hugo House in Seattle kennengelernt habe. Sie beschäftigt gleich dreifach mit Lyrik: Schreibend, lesend und verkaufend. Eines ihrer visuellen Gedichte gibt es auf Poetry Magazine und mehr zu ihr gibt es auf ihrer Website.

Wie bist du zum Schreiben gekommen?
Durchs Lesen. Ich bin besessen von Romanen, seit ich denken kann. Irgendwann habe ich gemerkt, dass es mir weniger um Handlung und Figuren und mehr um Sprache und Beschreibung geht, so dass ich schließlich, dank einer tollen Lehrerin an der Uni, feststellte, dass ich mein Boot schon die ganze Zeit auf die Insel der Lyrik zuruderte. Ich versuche immer noch Romane zu schreiben (ich bin fest entschlossen!), aber ich neige klar zu Lyrik.
Was findest du an visueller Lyrik spannend?
Ich finde es großartig, wie verspielt der Prozess ist. Das Element des Erkundens und Ausprobierens bei der Gegenüberstellung von Text und Bildern ist wahnsinnig unterhaltsam. Außerdem gibt sie mir die Möglichkeit, zwei meiner liebsten Dinge zu kombinieren: Zeichnen und Lyrik.
Du arbeitest bei Open Books, einer Buchhandlung, die auf Lyrik spezialisiert ist. Kannst du einen typischen Arbeitstag dort beschreiben?
Ich arbeite momentan weniger im physischen Geschäft als hinter den Kulissen an meinem Laptop, aber wenn ich im Laden bin, beginne ich den Tag normalerweise damit, mich mit all den neuen Büchern bekannt zu machen. Ich mache Fotos; ich lese ein paar Gedichte. Zitate aus den neuen Büchern zu tweeten gehört zu meinen Lieblingsaufgaben, weil es mir eine Ausrede dafür gibt, das zu tun, was ich am liebsten mache (nämlich zeitgenössische Lyrik lesen!). Daneben plaudere ich mit den Kund:innen, stelle sicher, dass sie sich zurechtfinden, hole Empfehlungen aus den Regalen, verschönere unsere Schaufenster und Ausstellungsecken, koordiniere Autor:innen, die in der Buchhandlung lesen werden, bewerbe Veranstaltungen… Es gibt ganz schön viel zu tun!
Du bist auch Lektorin für ein Lyrikmagazin. Wie wählst du Einsendungen aus?
Ich lese Lyrikeinsendungen für Poetry Northwest und habe vor kurzem nach einem guten Jahr wieder bei der Seattle Review angefangen, für die lese ich auch Gedichte. Weil jedes Magazin seine ganz eigene Persönlichkeit und Nische hat (Seattle Review veröffentlicht zum Beispiel nur lange Gedichte, zehn Seiten oder mehr), lese ich für jedes ein bisschen anders, aber letztendlich will ich vor allem überrascht werden. Ich suche nach Lebendigkeit und Feuer in den Worten und Bewegungen und einem wohlüberlegten Zusammenspiel von Inhalt und Form.
Du hast schon einige Preise gewonnen. Wie wichtig ist das in der Literatur heute?
Vor kurzem habe ich einen Zuschuss durch den Artist Trust erhalten. Der Wert dieses „Preises“ war emotional und finanziell. Schreiben jeder Art kann einsam sein und es ist leicht, sich selber klein zu machen. Einen Preis zu gewinnen erhöht die Selbstwertschätzung. Der Zuschuss des Artist Grant hat mir neue Energie gegeben; es ist toll zu wissen, dass andere Menschen das, was ich mache, für wertvoll halten. Finanziell ermöglicht er mir, an Wettbewerben teilzunehmen (die Gebühren für Buchwettbewerbe liegen normalerweile bei $25 pro Einsendung) und mich für Stipendien zu bewerben (die Gebühren hierfür können bis zu $85 betragen!). Ich benutze das Geld auch dafür, die Kosten für die Anreise zu AWP zu decken, einer riesigen Konferenz für Autor:innen, die einmal im Jahr stattfindet.
In der Welt der Lyrik spielen Preise eine große Rolle. Ich denke, dass man fast einen Preis gewinnen muss, um ein Buch veröffentlichen zu können, dass Leute dann auch wirklich lesen. Am schwierigsten daran finde ich auch hier die hohen Teilnahmegebühren. Das System arbeitet auf diese Weise aktiv gegen Lyriker:innen, die nicht einfach mal so Geld ausgeben können.