Orte sind immer mehr, als es auf den ersten Blick erscheint, denn sie tragen die Geschichten ihrer früheren und heutigen Bewohner:innen in sich. Sie können auf viele verschiedene Arten sichtbar gemacht und verbreitet werden: Wandgemälde, Straßenschilder und Infotafeln geben Auskunft vor Ort, und eine wachsende Zahl von Websites und Apps bieten technologische Unterstützung. Obwohl häufig nur die Geschichten der momentan dominanten Bevölkerungsgruppe erzählt werden, gibt es auch Initiativen, die die Stimmen von Minderheiten stärken.
Geschichte einer Nachbarschaft: Wandgemälde in Strathcona
Immigration hat schon immer das Stadtbild Strathconas in Vancouver geprägt. Das zeigt sich auch auf dem obigen Wandgemälde, das die Geschichte des Viertels vor dem 1. Weltkrieg zeigt. Es wurde durch die Organisation C.E.T.A. (Creating Employment Through Art, dt. Arbeitsplätze durch Kunst schaffen) und ein lokales Unternehmen gefördert. Das Gemälde zeigt unter anderem Geschichten der chinesischen und japanischen Einwander:innen und der indigenen Bevölkerung.
Geschichte im Alltag: Straßenschilder in Strathcona
Strathcona war eine der wenigen Gegenden in Vancouver, in denen Migrant:innen aus Asien im 18. Jahrhundert leben durften. Menschen aus China machten dabei die größte Gruppe aus, so dass zweisprachige Straßenschilder die Nachbarschaft ebenso prägen wie chinesische Kindergärten, Schulen und Kirchen. Die kanadische Regierung hat sich erst vor wenigen Jahren für die diskriminierende Gesetzgebung der damaligen Zeit entschuldigt.
Bookmark Canada: Fakt trifft auf Fiktion
Die Geschichte des Viertels erscheint auch in der Literatur: Die Pfingstrose aus Jade von Wayson Choy spielt im Strathcona der 1930er und 1940er Jahre. Eine Plakette der Organisation Bookmark Canada steht an der Ecke zwischen Pender Street und Gore Avenue, an der sich die Wäscherei befand, die im Roman eine wichtige Rolle spielt. Bisher ist sie die einzige Plakette im Westen Kanadas und die einzige auf Englisch und Mandarin.
Geschichte interaktiv: Black Strathcona
Das Projekt Black Strathcona erkundet die Geschichte der schwarzen Bevölkerung in der Nachbarschaft. Seit 2014 gibt es auf der Website eine interaktive Stadtkarte mit zehn Geschichten, die man online anschauen oder per QR-Code bei einem Besuch herunterladen kann. Viele der Erzähler:innen sind lokale Gemeinschaftsorganisator:innen und Künstler:innen.
Lasst uns reden: Die Geschichte der Squamish
Ein ähnliches Landkartenprojekt unterhält die Bildungs- und Kulturorganisation Kwi Awt Stelmexw: Oh The Places You Should Know zeigt das ursprüngliche Siedlungsgebiet der Squamish, Ortsnamen und Geschichten. Durch die Seite möchte die Organisation Austausch zwischen der indigenen und zugezogenen Bevölkerung zum Thema Kolonialgeschichte, Landschaftsgeschichte und heutigen indigenen Standpunkten und Bedürfnissen anstoßen.
Infotafeln: Anerkennung für die Geschichte der First Nations
Da die indigene Bevölkerung Kanadas viele Jahre unterdrückt und ignoriert wurde, zeigen viele Infotafeln nur die Geschichte der weißen Siedler:innen. Versuche wie die Infotafel zu den Stolo in Hope, deren Geschichten und Kulturen anzuerkennen und das Stigma der Primitivität aufzulösen, stoßen leider nicht immer auf Verständnis.